Kurzfassung
Analoge Schaltungen sind die technologische Basis, ohne die ein "Internet der Dinge", das "Smart Grid", die "Industrie 4.0" oder autonomes Fahren nicht vorstellbar sind. Die für diese Visionen nötigen Sensor-, Aktor- und Kommunikationssysteme bestehen aus eng verknüpften digitalen Hardware- und Softwarebausteinen sowie analogen-, Hochfrequenz- (RF) und Leistungselektronik-Komponenten ("analog/digitale Systeme"), deren fehlerfreies Zusammenspiel meist erst im Versuchsaufbau geprüft werden kann.
Die Partner im kürzlich gestarteten Clusterforschungsprojekt ANCONA (Analog-Coverage in der Nanoelektronik) entwickeln rechnergestützte Verfahren, um die korrekte Funktion solcher komplexen Systeme schon während des Entwurfs zuverlässig nachzuweisen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über drei Jahre mit insgesamt 1,3 Millionen Euro gefördert und von der einschlägigen Industrie unterstützt. Es ist Teil des Programms IKT2020 - Forschung für Innovation, das Deutschlands Spitzenstellung in der Elektronik weiter ausbauen soll. ANCONA wird die Verifikation analog/digitaler Schaltungs- und Systementwürfe durch den Einsatz von rechnergestützten Spezifikations-, Modellierungs- und Simulationsverfahren deutlich beschleunigen. Insbesondere sollen Aussagekraft und Vollständigkeit der Verifikation quantitativ messbar werden, so dass das Entwurfsrisiko kalkulierbarer wird.
Meldung
Rechnergestützte Entwurfs- und Verifikationsmethoden kommen heute bereits beim Entwurf einzelner Bausteine komplexer Elektroniksysteme zum Einsatz. "Eine wesentliche Herausforderung im Entwurfsprozess besteht jedoch zunehmend in der Sicherstellung des korrekten Zusammenspiels sämtlicher Systemkomponenten unter allen möglichen Betriebszuständen und Umgebungsbedingungen", betont Wolfgang Rosenstiel, Vorstandsvorsitzender des edacentrum. "Hierzu muss eine vorgegebene Testabdeckung (Coverage) aller relevanten Zustände des Gesamtsystems als Teil des Qualitätsmanagements im Entwurfsprozess garantiert werden können."
Während für rein digitale Hardware/Software-Systeme bereits Coverage-Methoden zur Verfügung stehen, existieren bislang kaum systematische Verfahren für Analogkomponenten und damit auch Systeme, die analoge Subsysteme enthalten. Das Kernproblem ist dabei, dass Zustandsräume analoger Schaltungen aufgrund ihrer kontinuierlichen Natur wesentlich schwerer zu beschreiben und zu analysieren sind. Die Korrektheit von analog/digitalen Systemen nachzuweisen heißt, auch das dynamische Verhalten des Gesamtsystems zu überprüfen. Letzteres entsteht durch das Zusammenspiel verschiedener Schaltungsteile und führt oft zu unerwünschten, sogenannten parasitären Effekten, die die Korrektheit gefährden. Dabei gilt es, Kopplungseffekte auf ganz unterschiedlichen Ebenen im Zusammenhang zu überprüfen.
Das Projekt ANCONA befasst sich hierzu mit rechnergestützten Spezifikations-, Modellierungs- und Simulationsverfahren, die eine schnelle ebenenübergreifende Verifikation von Mixed-Signal/RF- und Smart-Power-SoC ermöglichen. Neben einer signifikanten Steigerung der Simulationsgeschwindigkeit ist dafür u.a. eine für den Testfall angepasste Modellierung und Abstraktion erforderlich. Diese macht zum einen die Analog-Mixed-Signal- (AMS-Komplexität beherrschbar und quantifizierbar. Zum anderen ermöglicht sie die frühzeitige Untersuchung der Wechselwirkungen der Subsysteme - z.B. über Verkopplungen durch eine gemeinsame Spannungsversorgung, die auf Komponentenebene entstehen. Erst auf Systemebene können die störenden Auswirkungen der gekoppelten Subsysteme untersucht werden.
Partner
Im Clusterforschungsprojekt ANCONA (Förderkennzeichen 16ES021) haben sich sechs Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen: die Goethe-Universität Frankfurt am Main (Professur für Entwurfsmethodik), das IMMS Institut für Mikroelektronik und Mechatronik-Systeme gemeinnützige GmbH, Ilmenau, die Leibniz Universität Hannover (Institut für Mikroelektronische Systeme), die Technische Universität Kaiserslautern (AG Entwurf von Cyber-Physical Systems), die RWTH Aachen (Lehrstuhl für Integrierte Analogschaltungen) und das OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg. Diese werden durch die Industriepartner Infineon Technologies, Robert Bosch, Intel Mobile Communications und Mentor Graphics unterstützt. Für die Projektkoordination zeichnet das edacentrum verantwortlich.
Über die Clusterforschung
EDA-Clusterforschungsprojekte sind vom BMBF geförderte Projekte, in denen Hochschulen und Forschungseinrichtungen an zukunftsweisenden EDA-Forschungsthemen mit industrieller Patenschaft und Unterstützung arbeiten. Ziel dabei ist es, Methoden zu erforschen, die den Entwurf elektronischer Systeme von morgen in Deutschland ermöglichen. Viele Branchen wie Energietechnik, Automobilelektronik, Medizintechnik und Kommunikationstechnik profitieren von den Ergebnissen durch höhere Produktivität, kürzere Entwicklungszeiten und die neuen Methoden, die innovative Produkte erst möglich machen.
Bei der EDA-Clusterforschung finanzieren das BMBF und ein Industriekonsortium gemeinsam die Arbeit eines bundesweiten Forscherteams, das von unabhängigen Experten zusammengestellt wird. Die Forscher werden von dem Industriekonsortium fachlich begleitet, was die Praxisrelevanz der Forschungsarbeiten sichert und gleichzeitig einen schnellen Transfer der Ergebnisse in die Industrie vorbereitet.