90% aller Innovationen im Fahrzeug beruhen auf Mikroelektronik für die gesamte Automobillieferkette. Es ist daher unabdingbar, die sich ständig weiterentwickelnden neuen Möglichkeiten der Halbleiterindustrie und Elektronik möglichst schnell ins Fahrzeug einfließen zu lassen.
Um Entwurfsprozesse für zukünftige KFZ-Elektroniksysteme optimal zu unterstützen und zu automatisieren ist – aufgrund der deutlich zunehmenden Systemkomplexität auf dem Weg zum autonomen und möglicherweise elektrisch angetriebenen Fahrzeug – der Einsatz von KI-Modulen unbedingt erfordert. Durch die KI-Nutzung können funktional sichere Elektroniksysteme schneller und zuverlässiger entwickelt werden (adressiert werden sollen alle in der SAE J3016 genannten Ebenen - no driving automation (level 0) to full driving automation (level 5)) – damit soll eine deutliche Innovationsbeschleunigung erreicht werden. Typische elektronische Komponenten sind zum Beispiel: ABS oder ESP bzw. ACC. Weiterhin sollen hier genannt werden: Umfelderfassung durch kompakte Sensorik sowie die Sensordatenfusion und -interpretation in Echtzeit mittels leistungsfähiger Steuereinheiten und Multiprozessorsysteme.
Zur Entwicklung sicherer und zuverlässiger elektronischer Komponenten und Systeme sind u. a. neue Entwurfs- und Validierungsmethoden auf KI-Basis notwendig.
Durch die Einbindung von KI-Modulen in den Entwurfsprozess soll die Systementwicklung durch KI-basiertes Feedback und Unterstützung des Entwicklers beschleunigt und gleichzeitig die funktionale Sicherheit des Entwurfes erhöht werden, um anschließend Entwurfsprozesse schrittweise weiter automatisieren zu können. Aufgrund der hohen Anforderungen an Innovationsgeschwindigkeit, Sicherheit und Effizienz besitzt dieser Ansatz insbesondere für elektronische KFZ-Anwendungen mit automatisierten Fahrfunktionen eine sehr hohe Relevanz.
Um KMU den KI-Zugang zu ermöglichen (z.B. zur schnellen Anpassung ihrer Entwurfsprozesse auf sich plötzlich ändernde Requirements im Austausch gegen Daten zur Generierung von Informationen unter Wahrung des IP-Schutzes), wird in diesem Vorhaben erstmalig ein 2-stufiger Ansatz zum IP-Schutz entwickelt. Dazu wird eine für jede Domain allgemein zugängliche KI-basierte Wissensbasis (treffender: „Fähigkeiten-Basis“) aufgebaut und kontinuierlich weiterentwickelt. Mit dieser Wissensbasis kommuniziert in einer darunterliegenden Schicht eine unternehmensspezifische KI, die besonderes gegen nicht autorisierte Zugriffe geschützt wird. Damit kann die in progressivKI aufgebaute „Fähigkeiten-Basis“, die nach Projektabschluss kontinuierlich erweitert wird, im Hinblick auf die notwendige Wettbewerbssteigerung optimal genutzt werden. Zum Erreichen dieses Ziels wird das weltweit ausgereifte informationstheoretische KI-Knowhows mittels Open-Source KI-Software insbesondere für KMU verfügbar gemacht werden.
Im Rahmen dieses Projektes werden die System-Entwurfsebenen mittels der im Projekt geplanten KI-Anwendungsebenen |PCB-Entwurf| sowie |IC-Entwurf/Intelligente Sensorik| direkt durch die beteiligten Partner adressiert. Durch Anordnung domänen- und applikationsspezifischer Schnittstellenmodule um einen leistungsfähigen KI-Kern wird eine gute Portabilität und Übertragbarkeit der technischen Lösung auf die individuellen Entwurfsprozesse der beteiligten Industriepartner sichergestellt. Zudem wird erstmals eine Qualitätssicherung der Lernprozesse durch Metrisierung des Lernerfolges und einer darauf basierenden Algorithmenwahl und Wahl des Anlernzustandes des Algorithmus ermöglicht. Die bereitgestellte Quantisierung von Lernerfolgen bietet das Alleinstellungsmerkmal einer Qualitätskontrolle für maschinelles Lernen.
Zur Bewältigung des derzeitigen Paradigmenwechsels in der Fahrzeugindustrie hin zu klimaneutralen, autonomen Mobilitätskonzepten steht die Automobilindustrie einschließlich aller an der Wertschöpfung beteiligten Zulieferer unter einem enormen Innovations- und Effektivierungsdruck. Hier liegt es auf der Hand, die klassische Innovationsstärke der in hohem Maße von KMU bedienten Entwicklung neuer elektronischer Fahrzeugkomponenten durch den Einsatz von Verfahren der künstlichen Intelligenz zu stärken.
Dabei kann vorteilhaft genutzt werden, dass die Digitalisierung in der elektrotechnischen Industrie im Durchschnitt bereits weiter fortgeschritten ist als in vielen anderen industriellen Bereichen: Die Entwicklung neuer Komponenten erfolgt bereits heute in der Regel anhand von mehr oder weniger guten „Digital Twins“ der eigentlichen Komponenten, d.h., anhand von computergestützten Modellen. Anhand dieser Modelle entwickelte Produktionsschritte werden erst danach in die Realität umgesetzt. An dieser Stelle ist jedoch oft noch schwer formalisierbares Expertenwissen erforderlich, oder Entwürfe erweisen sich sogar in der Realität als untauglich.
Aufgrund dieses bereits hohen Digitalisierungsgrades eignet sich die Automobilzulieferindustrie in besonderem Maße als „Pilot“ für die umfängliche Transformation einer Wertschöpfungskette in die Phase der KI-gesteuerten Produktentwicklung. Über die Wertschöpfung in dieser Schlüsseltechnologie selbst wird progressivKI eine Best Practice definieren, wie systemrelevante Wertschöpfungsketten einem effizienteren KI-gesteuerten Entwurf zugeführt werden können.
Die zu entwickelnde modulare Technologiebasis soll über unterschiedliche Business-Modelle verbreitet werden. Dabei sind sowohl unterschiedliche serverbasierte Konzepte als auch eine Cloud-Lösung (quasi als Goldstandard) vorgesehen. Im Gegensatz zu Instanzen auf lokalen Servern ermöglicht dies wesentlich bessere Lernerfolge, da ungleich größere Datenmengen mit komplexeren Mustern zur Verfügung gestellt werden. Die sich aus den entsprechenden Geschäftsmodellen ergebenden Anforderungen an die Cloud, wie Verfügbarkeit geeigneter Schnittstellen, Souveränität der Datenbesitzer über ihre Daten und Datensicherheit sollen insbesondere in den GAIA-X Prozess eingebracht werden: progressivKI definiert ein reichhaltiges Anwenderökosystem mit komplexen Anforderungen, die in den entsprechenden Workstream des GAIA-X Prozesses einfließen sollen. Im GAIA-X Workstream 2 „Technische Umsetzung“ werden andererseits genau die technischen Herausforderungen adressiert, die sich in progressivKI stellen.
Durch die Cloud-Lösung wird eine Übertragbarkeit auf die Entwurfsprozesse industrieller Anwender garantiert, die aktuell nicht am Vorhaben beteiligt sind. Hierdurch wird im Zusammenhang mit entsprechenden Nutzungs-Modellen, die insbesondere KMU einen Zugang zu KI-basierter Technologieentwicklung sicherstellen, eine zusätzliche Dimension einer erfolgreichen Vermarktung von progressivKI eröffnet. Die Kombination einer belastbaren und sicheren Cloud mit den Resultaten von progressivKI birgt auf lange Sicht das Potential, elektrotechnische Entwurfsprozesse mit verschwindenden Grenzkosten in kürzester Zeit auf neue, plötzlich auftretende Requirements umzustellen. Dies eröffnet nicht nur ein enormes Wertschöpfungspotential durch die Fähigkeit, die für eine klimaneutrale und sichere Mobilität erforderlichen Komponenten wirtschaftlich und unter Berücksichtigung weitreichender Kundenwünsche realisieren zu können, sondern definiert eine technologische Basis zum Erreichen nationaler Klimaziele bei gleichzeitiger Stärkung der deutschen Wirtschaft. Dadurch, dass mit progressivKI intensive datenbasierte Dienstleistungen mit hohem Sicherheitsanspruch auf den Markt kommen, ist zu erwarten, dass auch der Ausbau der Serverinfrastruktur in Europa angekurbelt wird mit den entsprechenden positiven konjunkturellen Effekten.